Alice Schwarzer: Frauen ins Militär?

Alice Schwarzer, 1978

Ein Aufschrei der Ablehnung ging durch die von SPD bis CSU geschlossenen Reihen, und auch die Männermedien fanden es gar finsterlich. Was war geschehen? Wehrbeauftragter Berkhan hatte mit der Bild-Zeitung geplaudert, dabei den Pillenknick und seine irgendwann einmal zu erwartenden Folgen für die Bundeswehr beklagt und,,nicht ausgeschlossen“, daß in den 90er Jahren Frauen die Lücken in den Kasernen ausfüllen müßten (auf den untersten Stufen, versteht sich).

Vielleicht war der SPD- Wehrexperte ja auch gar nicht so naiv, wie es im nachhinein heißt. Vielleicht hat er genau das beabsichtigt, was jetzt eintritt: Nämlich, daß es gerade auch den militanten Kräften, die der SPD das Abrüsten zur Zeit so beschwerlich machen, vor der Vorstellung der bewaffneten Weiber dermaßen graust, daß sie lieber noch eine Abrüstung in Kauf nähmen . . . Doch ist das eine ganz andere Diskussion. Mir geht es hier noch einmal um die Frage: Was steckt eigentlich hinter dem Ausschluß der Frauen vom Militär? Warum verbietet der Gesetzgeber uns den Zugang zu etwas, was er für Männer selbstverständlich, ja sogar als Pflicht empfindet? Schauen wir uns dazu einmal die gängigsten Argumente genau an:

  • Da ist Elfriede Hoffmann, Vorsitzende der „Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen“ (AsF). Sie erklärte im Namen der Genossinnen, sie sei gegen Frauen im Militär, denn „eine Erziehung zum Frieden sei mit der Waffe in der Hand nicht möglich“. – Nun, eine so idealistische Haltung überrascht aus den Reihen einer Partei, die sich gerade auch in Frauenfragen sonst eher durch anspruchlosesten Pragmatismus hervortut (und der bei der Debatte um die Wehrdienstverweigerer ein so edles Wort nie über die Lippen kam. . .). Sie überrascht weiterhin aus dem Munde von Sozialdemokraten, denen aus der Geschichte klar sein müßte, daß für den Frieden oder seine Erhaltung manchmal auch gekämpft werden muß. Und selbst wenn man von so grundsätzlichen Erwägungen absieht, bleibt dies doch ein Argument, das für Frauen und Männer gelten sollte! Oder sind Männer in den Augen einiger Genossinnen unmenschliche Tötungsmaschinen, die für uns Frauen das dreckige Geschäft erledigen können?
  • Noch eindeutiger sexistisch wurde die erste Dame der FDP, Liselotte Funcke. Ihre Meinung:,, Frauen, die bestimmt sind, Leben zu geben, dürfen nicht zum Töten gezwungen werden.“ – Ich meine: Niemand dürfte zum Töten gezwungen werden, weder Frau noch Mann! Auch sind wir Frauen im Namen unserer Gebärfähigkeit schon zu soviel Negativem verurteilt worden, daß eine solche Argumentation mir mehr als suspekt ist.
  • Üblich ungeniert setzt Kanzlerkandidat Strauß all dem die Krone auf. Er fände es richtiger, ,,durch eine moralisch und materiell aktivere Familienpolitik für eine breite Bevölkerungsgrundlage zu sorgen“. – Sprich: Männer an die Front und Frauen ins Kindbett, zur Produktion der Söhne, die dann heldenhaft an der Front fallen dürfen. Zur Belohnung gibt’s das Mutterkreuz . . .
  • Wir sehen: Pazifistische Motive spielen hier ersichtlich keine Rolle. Eher sexistische. Wieder einmal will man uns festnageln auf die ,,natürliche weibliche Friedfertigkeit“. So, wie man in der Geschichte immer allen unterdrückten Gruppen die Passivität hat einreden wollen (dafür sind Schwarze und Juden ein gutes Beispiel). Denn Friedfertige, die wehren sich selbst dann nicht, wenn es nötig wäre. Diese Diskussion berührt also eines der größten Tabus überhaupt: das Verhältnis der Frauen zur Macht!

Und genau da lag von Anfang an auch die Intention des Grundgesetzes, dessen entscheidender Passus -Frauen ,,dürfen keinen Dienst mit der Waffe tun“ – im Bundestag 1956 von Elisabeth Schwarzhaupt mit den Worten kommentiert wurde, es müsse festgehalten werden, daß,,unsere Auffassung von der Natur und der Bestimmung der Frauen den Dienst an der Waffe verbietet“. Beifall. Schade nur, daß uns unsere ,,Natur“ nicht verbietet, Opfer zu sein. Ich erinnere nur an die millionenfach unter den Trümmern des zweiten Weltkrieges, auf der Flucht gestorbenen oder vom Sieger vergewaltigten Frauen. (Übrigens gehörten zu Beginn des ersten Weltkrieges gerade die Radikalfeministinnen zu den entschiedensten und mutigsten Kriegsgegnern. Zu Beginn des zweiten Weltkrieges waren sie längst im Exil l oder verstummt unter dem Terror. . .) Gerade die, die uns aufgrund unserer,, Weiblichkeit“ angeblich schützen wollen, schaden uns, wie wir wissen, am meisten. Und wenn es in ihrem Interesse ist, schicken sie uns auch, nun plötzlich von Skrupeln frei, an die Front. So griffen selbst die Nationalsozialisten in der letzten Hektik 1945 auf fast eine halbe Million weiblicher „Kombattanten“ zurück.

Seien wir also konsequent: Entweder wir sind aktive Pazifisten und gegen die Bundeswehr (da wäre ich allemal dabei!) oder aber wir betrachten die Bundeswehr, bedauernd oder zustimmend, als Realität und -finden dann den Dienst an der Waffe für Frauen prinzipiell ebenso selbstverständlich wie für Männer.,, Wenn Waffenlosigkeit der Frau der erste Schritt zu einer waffenlosen Welt oder zumindest eine Garantie für antimilitärische Gesinnung wäre, dann würde ich den jetzigen gesetzlichen Zustand mit Zähnen und Klauen verteidigen. Dies aber ist nicht der Fall.“ Das sagte als einsamer Rufer aus den SPD-Reihen der Abgeordnete Karsten Voigt, und er hat recht damit.

Seit ich vor einem Jahr erstmals öffentlich die Frage ,,Frauen ins Militär?“ stellte, bin ich viel mißverstanden und fehlinterpretiert worden. Obwohl ich damals grundsätzlich dieselbe Haltung hatte und wörtlich schrieb: „Wäre ich ein Mann, ich wäre Kriegsdienstverweigerer.“ Klar, daß ich da auch nicht für eine Wehrpflicht für Frauen bin. Schon gar nicht aus den Gründen, aus denen die Junge Union dafür plädiert. Sie meint, wenn wir gleiche Rechte haben wollten, müßten wir auch für gleiche Pflichten sein. Aber wir Frauen haben heute genug Pflichten, weit mehr als die Männer. Wenn die Herren der Schöpfung auch das ihre an der Küchen- und Kinderfront übernommen haben, können wir uns über dieses Argument ernsthaft unterhalten. Nein, weder Pflichten-Proporz noch vaterländische Gesinnung treiben mich zur Kritik am Ausschluß der Frauen aus diesem wesentlichen gesellschaftlichen Bereich, den die Bundeswehr real nun mal darstellt. Eher die Kritik am Gewaltmonopol der Männer. Krieg ist entsetzlich und nur legitim zur Verteidigung. Doch gerade die, die an den Sinn einer solchen Verteidigung hier und heute glauben, dürften Frauen davon nicht ausschließen. Wir waren schließlich lange genug wehrlose Opfer.

Ich bin gegen die Aufteilung der Welt in opferbereite Frauen drinnen und wehrhafte Männer draußen. Logischerweise muß ich darum auch für die Änderung des Grundgesetzes sein. So oder so. Entweder wird der Waffendienst Frauen und Männern untersagt oder aber auch Frauen haben den Zugang zum Militär- wenn wir wollen. Und das auf allen Ebenen, bis in die Spitzen der Hierarchie hinein!

Denn merke: Hinter der Galanterie (Das ist doch nichts für Frauen) steckt noch allemal die Diskriminierung, so auch in diesem Falle. Darum sollten gerade auch die SPD-Frauen, die für den Fall einer Grundgesetzänderung schon jetzt einen „Appell an alle Frauen zur Wehrdienstverweigerung“ ankündigten, noch einmal genauer überlegen. Es kann nur zwei Motive geben: Sexismus oder Pazifismus. Im zweiten Falle, liebe Genossinnen, bitte den Appell zur Wehrdienstverweigerung auch – an die Männer richten.

(Quelle: EMMA 10/1979)

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